Heute habe ich die Mahnwache der International Federation of Iranian Refgugees (IFIR) in Frankfurt am Main besucht, die zusammen mit den 24 hungerstreikenden Asylsuchenden in Berlin auf dem Pariser Platz (vor dem Hotel Adlon bzw. vor dem Brandenburger Tor) für eine Abschaffung der Präsenzpflicht und dem Arbeitsverbot für Asylsuchende nach Artikel 16a des Grundgesetzes kämpfen. Ich muss zugeben, dass ich mich zuvor noch nicht näher mit den (praktischen) Auswirkungen dieses Grundgesetz-Artikels beschäftigt hatte und deshalb sehr erstaunt war, was ich in den nachfolgenden zwei Intervies mit zwei iranischen Frauen erfahren habe.
Das Interview Nr. 1
Neben mir sitzt „Fariba“ (der Name ist auf Wunsch geändert), 38 Jahre aus Teheran, die seit April 2009 in Deutschland als Asylsuchende lebt.
Frage: Was ist Ihr Wunsch für ein Leben in Deutschland?
Einen Pass, einen Personalausweis, einen Arbeitsplatz und ein normales Leben.
Frage: Welchen Beruf haben Sie erlernt?
Ich bin gelernte Friseurin mit Zertifikat und möchte gerne in Deutschland ebenfalls eine Anerkennung meines Berufes erzielen, sprich einen Gesellenbrief als Friseurin erwerben, damit ich arbeiten und mich selbst und meine Familie ernähren kann und nicht mehr abhängig vom Sozialamt bin.
Frage: Und hat man Ihnen gestattet, sich weiterzubilden?
Nein, die Begründung dafür weiß ich nicht, jedoch ist es mir nicht gestattet, meinen Beruf auszuüben und einer bezahlten Arbeit nachzugehen.
Frage: Sie leben mit Familie hier in Deutschland?
Ja und nein. Meine Tochter, 10 Jahre und meine Schwester, 45 Jahre, leben hier in Deutschland. Meine Schwester hat dauerhaftes Bleiberecht bekommen und arbeitet als Krankenschwester.
Frage: Und der Rest der Familie?
Mein Mann und mein Sohn, 16 Jahre, sind noch im Iran. Ich habe seit über drei Jahren keinerlei Kontakt mehr zu meinem Sohn und meinem Mann gehabt. Sie dürfen auch den Iran nicht verlassen.
Frage: Wo leben Sie heute?
In einer eigenen Wohnung. Über eine Frankfurter Ärztin habe ich vor einem Monat endlich ein Atest bekommen, dass es für mich und meine Gesundheit erforderlich ist, in einer eigenen Wohnung zu leben.
Frage: Wie erleben Sie die Ämter?
(ich bekomme einen zornigen Blick, aber auch etwas spöttisch, weil „Fariba“ vermutlich nicht gut auf die Ämter zu sprechen ist. Ich habe auch eine Antwort erhalten, die ich aber zu ihrem Schutz nicht veröffentlichen möchte!)
(Es klingelt ein Telefon, es wird wieder geschäftig im Zelt der Mahnwache an der St. Katharinenkirche in Frankfurt und die anderen Teilnehmer der Mahnwache der IFIR erscheinen im Zelt. „Fariba“ hat einen Arzttermin. Wir beenden das Interview).
Das Interview Nr. 2
Mir gegenüber sitzt eine Frau, ebenfalls mittleren Alters, sehr resulut, sehr gut deutsch sprechend. Ich nenne sie in diesem Interview ebenfalls „Fariba“, aus Gründen des persönlichen Schutzes, wie das folgende Interview belegen wird.
Frage: Was wünschen Sie sich von einem Aufenthalt in Deutschland?
Ich möchte Anerkennung, eine Anerkennung als Staatsbürgerin. Ich wünsche mir ein normales Leben. Ich darf nicht arbeiten gehen, die Begründung liegt im Status als Asylsuchende. Asylsuchende dürfen in Deutschland nicht arbeiten und müssen in Heimen leben.
Frage: Wann sind Sie nach Deutschland gekommen?
Ich bin seit 2004 in Deutschland und seit 8 Jahren lebe ich in der ständigen Befürchtung meiner Abschiebung. Bislang werde ich aber noch geduldet.
Frage: Was ist Ihr Beruf?
Ich bin diplomierte Betriebswirtin und habe 11 Jahre lang als Geschäftsführerin einer Fahrzeugbau-Firma im Iran gearbeitet.
Frage: Und man gestattet Ihnen trotzdem nicht, hier in Deutschland zu arbeiten?
Nein, wie gesagt. Der Status als Asylsuchende ist nun mal der, dass ich in Deutschland weder einer Arbeit noch einer weiterführenden Ausbildung nachgehen darf.
Frage: Haben Sie Familie?
Ja, 2 Töchter, ich bin alleinerziehende Mutter.
Frage: Von was leben Sie?
Von dem, was wir vom Sozialamt bekommen.
Frage: Wie ist Ihre Erfahrung mit den deutschen Behörden und Ämtern?
Sehr, sehr schlechte Erfahrungen. Wir bekommen keine Dolmetscher, die entweder Asyrisch oder Farsi sprechen können und damit ist die Kommunikation mit den Behörden noch einmal künstlich behindert.
Frage: Wie empfinden Sie die politische Situation in Deutschland?
Politisch ist es in Deutschland wesentlich besser, als im Iran. Oder anders gesagt: „Besser als gar nichts“.
Frage: Haben Sie Zugang zu Bildung oder Weiterbildung?
Nein, wir dürfen weder Bildungs- noch Weiterbildungsmaßnahmen besuchen. Wir sind eingeschränkt, dürfen Frankfurt nicht verlassen und können auch kaum am kulturellen Leben teilhaben. Und immer herrscht die Angst, dass wir abgeschoben werden.
Frage: Was würde geschehen, wenn man Sie aus Deutschland abschiebt?
Ich werde hingerichtet, wegen Verletzung der religiösen Gesetze der Sharia.
Frage: Was ist der Grund?
Ich bin keine Muslima. Ich habe überhaupt keine Religion. Und zudem bin ich seit sechs Jahren in Deutschland politisch aktiv.
Frage: Haben Sie da keine Angst vor einer Bedrohung durch iranische Behörden in Deutschland?
Ja, doch. (wir unterhalten uns noch über die Einzelheiten, die ich hier aber aus Gründen der Sicherheit meiner Interviewpartnerin nicht wiedergeben möchte)
„Die Kinder brauchen das Gefühl, dass Deutschland ihre Heimat ist“, wird noch hinzugefügt.
(Inzwischen ist es sehr geschäftig im Zelt und ich beende das Interview).
Mein Fazit
Ich bin erschüttert, dass die Umstände, unter denen diese beiden (und vermutlich auch alle anderen Flüchtlinge) in Deutschland existieren müssen, so erdrückend sind. Ich selbst kann mir ein sehr gutes Bild davon machen, wenn man selbst im Asyl-gewährenden Land sich immer noch in Leib und Leben bedroht sieht und es schwer fällt, nicht einmal ein Mensch zweiter Klasse in unserer Gesellschaft sein zu dürfen. Die dauerhafte und so konsequent verschleppte Asylpolitik deutscher Behörden, mit ihren Repressalien, keiner Arbeit, keinerlei Bildungsangeboten und keinerlei kulturellem Zusammenhalt nachgehen zu dürfen, wenn man eingesperrt in ein Asylheim oder in die Gemeindegrenzen einer asylgewährenden Stadt oder Ortschaft lebt. nein vegetiert, ist nicht länger tragbar. Ich hatte mir ja schon das Leben als Asylant schlimm vorgestellt, doch, was ich heute aus den Gesprächen mit diesen beiden mutigen Frauen (es ist nicht selbstverständlich, so ein offenes Interview führen zu können) und von den anderen Anwesenden erfuhr, übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen.
Am Rande unterhielt ich mich noch mit einem schon seit über 15 Jahren in Deutschland lebenden Asserbeijaner über die politische Veränderung in Deutschland.
„Vor fünfzehn Jahren war es besser, als vor zehn Jahren. Und vor zehn Jahren war es besser, als vor fünf Jahren. Und vor fünf Jahren war es allemal noch besser als heute“. Das beantwortet eigentlich alle weiteren Fragen.